Zu einer betagten Ordensfrau kam eine ältere Dame und klagte:
„Viele Jahre habe ich meine täglichen Gebete gebetet, doch nie habe ich dabei die Nähe Gottes gespürt“.
Da fragte die Nonne: „Haben sie Gott die Gelegenheit gegeben, ein Wort einzuwerfen?“
„Wie das“, entgegnete die Frau, „nein, ich habe die ganze Zeit zu ihm gesprochen, das ist doch Beten!“
„Nein“, sagte sie, „ich glaube nicht. - Ich empfehle ihnen, dass sie sich täglich eine Viertelstunde Zeit nehmen, einfach dasitzen und stricken. Und lassen sie Gott bei ihrem Stricken zuschauen. Mehr brauchen sie nicht zu tun. Ja, ihn nur beim Stricken zuschauen lassen! Jeden Tag eine Viertelstunde lang.“
Die Frau wunderte sich über diesen Vorschlag, bedankte sich und ging.
Schon nach einer Woche kam sie wieder und sagte: „Merkwürdig, wenn ich zu Gott meine Gebete spreche, bin ich wie taub für Gott. Doch wenn ich vor ihm still dasitze, stricke und schweige, dann fühle ich mich in seine Nähe eingehüllt“. (Quelle unbekannt)
Man könnte gerade meinen, diese Geschichte sei eine Illustration der Gebetserfahrung des dänischen Philosophen und Theologen Sören Kierkegaard:
„Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde,
da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen.
Zuletzt wurde ich ganz still.
Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist,
ich wurde ein Hörer.
Ich meinte erst: Beten sei Reden.
Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören.
So ist es: Beten heißt nicht sich selbst reden hören,
beten heißt still werden und warten, bis der Betende Gott hört“.