Räume der Stille schaffen!

Der schwedische Politiker Dag Hammarskjöld (1905 – 1961) war von 1953 bis zu seinem Tod bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz Generalsekretär der Vereinten Nationen. Es war die Nachkriegszeit, der Beginn des „Kalten Krieges“, Konflikte in Afrika und Asien … eine Zeit voller weltpolitischer Spannungen. Bei allem Krisenmanagement blieb Dag Hammarskjöld ein spiritueller Mensch: „Mitten im Gelärm das innere Schweigen bewahren“, war ein Leitwort von ihm.

Im Gebäude der UNO in New York ließ er von schwedischen Künstlern einen „Raum der Stille“ gestalten. Ein schlichter trapezförmiger Raum, weiße Wände, in der Mitte ein großer Stahl-Quader, an der Stirnseite ein abstraktes Bild, indirektes Licht von oben. Er sagte über diesen Raum: „Jeder von uns hat in sich einen Raum der Ruhe, umgeben von Stille. … Dieses Haus soll einen Raum haben, der der Stille im äußeren und der Ruhe im inneren Sinne gewidmet ist.“

Der Meditatonsraum in der UNO-Zentrale wurde zum Vorbild für viele Räume der Stille, so im Brandenburger Tor, in Schulen und Hochschulen, in Kliniken, in Flughäfen, in Sportstadien, in Parlamentsgebäuden – Räume, die uns einladen, den Alltagsbetrieb zu unterbrechen und einen Ort der Stille aufzusuchen, sodass in unserem Inneren Ruhe einkehren kann.

Dag Hammarskjöld hat auch einen Brauch eingeführt, mit dem seitdem jede Vollversammlung der UNO beginnt. So heißt es in deren Geschäftsordnung (Regel 62):

„Unmittelbar nach Eröffnung der ersten und unmittelbar vor Schluss der letzten Plenarsitzung jeder Tagung der Generalversammlung fordert der Präsident die Vertreter auf, eine Minute stillen Gebets oder innerer Sammlung einzuhalten“.

Ich lade Sie dazu ein, dass auch wir uns jetzt eine solche Minute gönnen, bevor wir an unser Geschäft gehen. Ein kleiner Zeit-Raum von einer Minute, in dem nichts geschehen muss, in dem vielleicht die innere Unruhe etwas abklingen kann, in dem wir vielleicht gut hier ankommen können als die, die wir sind.

Bernhard Kraus